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AutorenbildHilge Kohler

Wenn Storytelling beginnt zu stören

Ja, Storytelling ist oft eine gute Idee - aber manchmal kann es zu viel sein. Auch in der Unternehmenskommunikation.



Er wolle, dass sein Unternehmen mehr Stories erzählt, sagte ein Banker neulich. Damit liegt er im Trend, der seit Jahren anhält: Unternehmen erzählen uns Geschichten, statt uns mit Fakten zu erschlagen. Auch die Deutsche Bank setzt wieder auf die Kraft der Geschichten. Dabei habe ich gar nicht den Eindruck, die Großbanken hätten uns in den letzten Jahren zu viele Fakten und zu wenige Geschichten angedeihen lassen.


Stimmt, es gab eine Zeit, in der Unternehmen sterbenslangweilige Kommunikation in die Welt geschickt haben. Faktenwüsten so grau wie die Büros, in denen sie erschaffen wurden.

Dann kamen die 1990er (ja, so alt ist der Trend zum Storytelling!), und Menschen kamen auf die Idee, dass wir Wissen besser in Geschichten transportieren können.


Die alte Kulturtechnik wurde zum Megatrend


Mehr und mehr besannen wir uns der alten Kulturtechnik. Auf der Expo 2000 war ein afrikanisches Dorf nachgebaut mit einem Dorfplatz und in der Mitte des Platzes einem Baum, um den wir Besuchen uns scharen sollten, um wie unsere Ur-Vor-Ahnen den Geschichten der Dorfältesten zu lauschen.


Das und dergleichen kam so gut an, dass es sich in Windeseile unter den Kommunikationsexperten in Unternehmen durchsetzte. Was sind Unternehmen schließlich anderes als moderne Clans oder Verbünde, die durch immaterielle Werte und Regeln zusammengehalten werden? Und was könnte besser den immateriellen Kitt in der Organisation verbreiten als eine gut gemachte Geschichte?


Der Megatrend Storytelling war geboren und entwickelte sich prächtig. Schön, denn so stellen sich Unternehmen heute lebendig und menschlich dar, sie bringen persönliche Geschichten ihrer Mitarbeiter in die Öffentlichkeit, investieren in die Entwicklung modernen Geschichtenguts, erheben das Individuum und sein Schicksal bisweilen über die Faktenlage und werden damit noch lebendiger und menschlicher. Kunden, Patienten, Mitarbeiter, manchmal auch Chef - alle haben ihre Geschichten.


Fakt ist aber: Unternehmen und ihr unternehmerisches Handeln bestehen noch immer auch aus Fakten.

Anzahl Mitarbeiter, Umsatz, Gewinn, Forschungsinvestitionen, Praktikumsplätze, befristete Arbeitsplätze, Arbeitsunfälle, Sozialbeiträge, Standorte, Flächen, Emissionen, Patente, Klagen, Nobelpreise, Produkte, ich könnte ewig weiterschreiben, würde aber niemanden interessieren. Sind schließlich nur Fakten. Wie der Bundeshaushalt. Wer liest den schon?


Schön ist, wenn wir die Fakten nicht zu kennen brauchen, weil wir wissen, dass alles gut ist. Gut ist aber zu wissen, dass wir alle Fakten schnell und einfach bekommen und verstehen könnten, wenn es nötig wäre. Deshalb finde ich es super, wenn Unternehmen neben dem Storytelling auch das Fact-Telling beherrschen und pflegen.


7 Gründe für überzeugende Geschichten:

  • Wir wollen sie hören.

  • Wir erzählen sie gern weiter.

  • Sie sprechen unsere Gefühle an.

  • Sie machen die Welt interessanter.

  • Sie können Moral transportieren.

  • Wir können Botschaften in ihnen verstecken.

  • Wir können die Herzen unserer Zuhörer gewinnen.


7 Gründe für solide Fakten:

  • Sie machen uns schlauer

  • Sie machen uns handlungsfähig

  • Sie verhelfen zu Transparenz

  • Sie sind überprüfbar

  • Sie sprechen unseren Verstand an

  • Sie brauchen nicht viele Worte

  • Sie trennen Wahrheit von Propaganda


Meine aktuellen Lieblings-Stories:

  • Die Geschichten von Mullah Nasreddin

  • Abwechselnd Peanuts, Gary Larson und Calvin & Hobbes

  • Sempé’s Ein-Bild-Geschichten aus Paris und Frankreich

  • Die Geschichte von Matt, dem Schulschreck und Ahorn-Unternehmer, der James Delisle dazu brachte, den Umgang mit begabten Schülern zu erforschen

  • Die Lebensgeschichte von Temple Grandin

  • ...und die nächste, die ich hören werde


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