Wie die Autorin Subadeh Mohafez mich zum Los-Schreiben brachte
Gestern hatten wir es gemütlich und spannend, als wir uns zu zehnt bei einer Freundin einfanden, um der Autorin Sudabeh Mohafez zu lauschen. Sudabeh Mohafez hat mehrere Bücher geschrieben, von Lyrik über Kurzgeschichte bis Roman, hat dafür einige Preise und Ehrungen bekommen und reist durch das Land, um Lesungen zu halten. Im Rahmen der Aktion Autoren helfen bietet sie Wohnzimmerlesungen gegen Spende für einen wohltätigen Zweck. Und so kam es, dass Sudabeh Mohafez gestern Abend im Wohnzimmer meiner Freundin las. Eine für alle Beteiligten ungewöhnliche Situation, in die ich mit Neugier und ohne besondere Erwartungen gegangen bin und die ich im Nachhinein rundum empfehlen kann. Weil es ein so ganz anderes Erlebnis ist, weil wir über Themen nachgedacht haben, die mir sonst nicht ins Hirn kämen, und weil wir so auch wieder ein bisschen mehr voneinander erfahren können.
Zwei Gedanken gebe ich weiter
Da solch eine Lesung irgendwie privat ist, lasse ich die Inhalte im Privaten, wenn auch nicht Geheimes dabei gewesen sein dürfte. Zwei Gedanken möchte ich trotzdem in aller Kürze weitergeben.
Erstens: Als deutsch-iranische Autorin hat Sudabeh Mohafez viel über Bikulturalität, Migration und Heimat im Allgemeinen und das Leben im Iran im Besonderen zu erzählen - das dürfte die Annahme vieler sein, unsere gestrige Runde eingeschlossen. Aber gefehlt: Wacker wiederholt die Autorin im Laufe des Abends, dass sie die persische Sprache nicht gut beherrsche, dass sie sich kaum auskenne in Irans Kultur und dass ihre Wurzeln doch eher anderswo lägen, nämlich in der Geschichte ihrer Mutter und deren Sozialisierung als Kriegskind in Deutschland. Wie oft das wohl passiert, dass wir mit der offensichtlichen Erscheinung einer Person sofort eine Geschichte oder Geschichtenkategorie verbinden und diese als Erklärungsmuster zugrundelegen? Was verpassen wir dadurch womöglich alles?
Zweitens: Als die Autorin in ein fremdes Land zog und dort ihre Schriftsteller-Gemeinschaft vermisste, verordnete sie sich selbst eine kleine Disziplin: Jeden Morgen um 9 Uhr setzte sich Sudabeh Mohafez mit einem Tee an den PC, stellte einen Wecker und schrieb 15 Minuten lang. Den Text las sie später durch und veröffentlichte ihn als Blogeintrag oder vernichtete ihn für immer; redigiert wurde nicht. Das ist eine einfache und sicher wirkungsvolle Routine für alle, die das Schreiben lernen, trainieren und praktizieren wollen. Ein Schreibtraining analog zur morgendlichen Yogaübung.
Was von diesem Abend bleibt
So, diese beiden Punkte werde ich von dem Abend in Erinnerung behalten. Den zweiten Punkt praktiziere ich just in diesem Moment, und deshalb lege ich nun den PC beiseite, um den Blog später durchlesen, und wenn Ihr dies lest, habe ich entschieden, ihn nicht zu löschen.
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