Feedback zu geben ist nicht leicht. Dabei bringen Rückmeldungen auf Texte unser Schreiben voran. Mit KI kann Feedback leichter gelingen. ChatGPT, Gemini & Co eignen sich bestens als Feedbackgeber - vorausgesetzt wir nutzen die Stärken der Sprachmodelle und achten ihre Grenzen.
Neulich war ich beleidigt. Ich hatte ChatGPT um Feedback zu meinem Text gebeten. Das bekam ich auch. Mein Text sei „etwas langatmig“ und könnte “noch ansprechender gestaltet werden”.
Feedback ist nicht einfach. Sonst gäbe es nicht Sprüche wie: „Feedback ist ein Geschenk“. Sprachmodelle wie ChatGPT oder Gemini gelten vielen als Lösung. Sie urteilen objektiv, haben keine persönliche Beziehung zu uns, und wir müssen nichts persönlich nehmen - eigentlich.
In meiner Schreibpraxis nutze ich oft Feedback von der KI. Ich habe mir inzwischen einige Routinen zugelegt, Tools integriert und Standardprompts formuliert. Wie ich dabei vorgehe und worauf ich zu achten versuche, beschreibe ich hier. Allen, die dies lesen, wünsche ich viel Spaß und Erfolg beim Ausprobieren.
Vorab eine einfache Frage: Warum sollten wir überhaupt Feedback von ChatGPT & Co einholen?
Für mich gibt es einige Gründe für die Feedback-Arbeit mit Sprachmodellen.
1. Die Sprach-KI ist allzeit bereit
Ein alter Trick unter Autorinnen und Textern lautet: Drüber schlafen. Wenn wir unseren Text liegen lassen und etwas anderes tun, arbeitet unser Gehirn im Hintergrund weiter. Wenn wir uns dann wieder an den Text setzen, springen die Wörter manchmal wie von allein aufs Blatt. Der Nachteil an der Methode liegt auf der Hand: Sie braucht Zeit.
Sprachmodelle müssen nicht „drüber schlafen“. Sie brauchen keine langen Denkpausen und werden nicht müde. Es ist das bekannte Argument: Technik ist immer verfügbar, stets hilfsbereit, 24x7.
2. Sprachmodelle werden nicht „betriebsblind“
Einer Sprach-KI kann ich den gleichen Text beliebig oft geben. Jedes Mal liest sie ihn, als wäre es das erste Mal. Wenn ich dagegen meine Texte einige Male überarbeitet habe, kenne ich sie auswendig und erkenne keine Schwachstellen mehr.
3. Die KI hat keine persönlichen Vorlieben
Ja, Sprachmodelle haben Bias, sie bilden die Voreingenommenheiten und Klischees ab, die wir alle in unseren Köpfen tragen. Und ja, sie irren sich bisweilen, halluzinieren und flunkern uns freundlich an. So ganz unvoreingenommen sind sie also nicht.
Vorlieben für Textsorten, Themen oder Stile haben sie aber nicht. Wenn ich sage, welche Textsorte ich schreibe, für wen und worum es geht, dann wird das so hingenommen.
Das ist bei uns Menschen anders. Da wird ein „und“ in ein „oder“ geändert. Stilfragen werden diskutiert, obwohl wir um rein fachliches Feedback gebeten haben. Schnell kann solch ein Feedback das Betriebsklima trüben. Da greifen wir doch gern zur KI.
4. Sprachmodelle sind Text-Allrounder
Ich kenne wenige Kolleg*innen, die alle Textsorten und Schreibstile gleich gut beherrschen. Kaum jemand textet eine Pressemitteilung genauso versiert wie einen Kommentar oder schreibt Essays so gern wie Interviews.
Sprachmodelle können weder grandiose Essays schreiben noch inspirierende Interviews führen. Sie können mir aber auf alle Textsorten ein halbwegs brauchbares Feedback geben.
Hierfür nutze ich KI im Feedbackprozess:
Je genauer ich der KI sage, welche Art von Feedback ich gern hätte, desto gezielter fällt ihr Output aus. Das kann sein:
Inhalte. Ich bitte die KI, inhaltliche Schwachstellen zu erkennen. Vielleicht braucht der Text mehr Beispiele oder praktische Tipps. Oder er könnte persönlicher argumentieren.
Aufbau. Folgt der Text einer logischen Struktur? Ist der Einstieg zu lang oder das Ende zu abrupt? Fehlt ein Fazit oder Call to Action?
Stil. Wie ist der Satzbau, wie die Wortwahl? Nutze ich passende Metaphern und Vergleiche? Für mich ist dies übrigens der schwierigste Teil der Feedback-Arbeit mit KI. Ich erkenne immer wieder, wie persönlich Stilfragen sind und wie schwer ein Schreibstil zu beschreiben ist.
Verständlichkeit. Ist der Text klar und verständlich formuliert? Nutze ich Fachjargon? Passt das Sprachniveau zur Zielgruppe? Übrigens: KI ist super darin, Texte in einfacher Sprache wiederzugeben.
Formalien wie Grammatik und Rechtschreibung. Dies ist die zuverlässigste Art von Feedback, die KI geben kann. Kein Wunder, es gibt ja auch klare Regeln, die sagen, was richtig und was falsch ist.
Ich nutze KI für all diese Arten von Feedback. Bei einer Anfrage an die KI bitte ich aber immer nur um eine dieser Arten. So bekomme ich klares und fundiertes Feedback.
So arbeite ich mit der KI im Feedbackprozess:
Die vielen Arten, auf die ich mit Sprach-KI zusammenarbeite, fallen zu 90 Prozent in drei Kategorien: direktes Feedback, Perspektivwechsel und Korrekturschleifen.
Direktes Feedback auf meine Arbeit
In frühen Phasen, wenn mein Text noch im Entstehen ist, bitte ich um Feedback auf Inhalte und Aufbau des Textes. Später kann es um Stil, Verständlichkeit und dergleichen gehen. Ich starte mit einem allgemeinen Prompt, schaue, welche Anmerkungen kommen, und frage an einzelnen nach.
Ich gebe der KI die Rolle einer Kollegin, die mir fachliches Feedback gibt. Wenn ich variieren möchte, lasse ich mir eine Rezension erstellen. Zum Beispiel mit diesem Prompt:
„Du bist eine kritische Journalistin für Kultur und Sprache. Schreibe eine Rezension über den folgenden Text. Liste dabei auf, was dir an dem Text gefällt und was du schlecht findest.”
Für das direkte Feedback nutze ich gern einen selbst gebauten GPT. Das geht in der Bezahlversion von ChatGPT recht einfach. Ich habe meinen GPT so instruiert, dass er in der Rolle der „kritischen Journalistin“ bleibt. Zum Beispiel soll er mir den Text nicht umschreiben, sondern sich stets auf Feedback beschränken. Das ist mir wichtig, denn ich möchte meinen Text selbst überarbeiten. Sollte ich doch einen Textvorschlag wünschen, wechsle ich von meinem GPT in den offenen Chat.
Den Spiegel vorhalten: Was wurde verstanden?
Hier schlüpft die KI für mich in die Rolle der Lesenden: Welche Inhalte zieht ein Leser aus meinem Text? Wie würde eine Leserin meinen Blogpost zusammenfassen?
Im Journalismus kennen wir diesen Rollenwechsel als „Küchenzuruf”. Welchen Teil einer komplexen Nachricht oder Story würde ich jemandem „in die Küche hinüber rufen"? Der Küchenzuruf entsteht in den Köpfen meiner Leserschaft und kann für jeden und jede Leserin anders sein. Um meine Botschaften möglichst gut zu platzieren, sollte ich darüber nachdenken, wie ich aus der Botschaft einen Küchenzuruf gestalten kann, der auf meine Leserschaft und das Medium passt.
Ich versuche, von der KI eben solche Küchenzurufe zu erhalten. Das funktioniert natürlich nur begrenzt, weil eine KI keinen persönlichen Kontext hat wie wir, die wir den Text sofort mit anderen Informationen verbinden. Der Kern des Küchenzurufs liegt für mich darin, dass ich mich in die Lage des Publikums versetze und mir selbst den Spiegel vorhalte.
Mit der Sprach-KI arbeite ich im offenen Dialog. Ich brauche keinen GPT hierfür, weil ich immer wieder neue Leser-Personas und Kontexte erschaffe, für die der Text geschrieben werden soll.
Das Prompt-Prinzip ist simpel. Hier ist ein Beispiel für einen LinkedIn-Post:
Wie schon an anderer Stelle geschrieben, starte ich gern mit einem allgemeinen Prompt, den ich dann Schritt für Schritt spezifiziere. So erfahre ich mehr, als wenn ich gleich spezifisch fragen würde. Zudem entwickelt sich ein Dialog mit der KI. Nicht selten entstehen dabei neue Ideen, die ich in meine Texte einfließen lasse.
Korrekturlesen
Am Ende des Schreibprozesses wird es handwerklich. Wenn der Text fertig geschrieben ist, brauche ich jemanden, der meinen Text sorgfältig korrigiert. Im Chat geht das mit einem simplen Prompt:
„Korrigiere den folgenden Text. Achte dabei nur auf Rechtschreibung und Grammatik.“
Meist benutze ich aber Tools für die Korrektur und finde das sehr komfortabel. Die Korrektur funktioniert ja deshalb so gut, weil sie auf klaren Regeln basiert. Wenn ein Tool mit solchen Regeln gefüttert ist, dann ist das Ergebnis auch gut nachvollziehbar. Das gilt zum Beispiel für die Wolf Schneider KI. Wolf Schneider hat klare Regeln für journalistische Stilkunde aufgestellt, und die KI baut auf diesen Regeln auf. Natürlich erzeugt das keine literarischen Kunstwerke, aber das ist auch im Journalismus selten das Ziel.
Ich lasse mir übrigens meist die Vorschläge anzeigen und entscheide selbst, was ich übernehme und was nicht. Oft habe ich einen so eigenen Schreibstil, dass die Tools mich falsch korrigieren würden. Sie setzen Kommas anders als ich oder schlagen Formulierungen vor, die das Ganze polieren würden, aber mir zu erwartbar sind.
Ja, das Schreiben mit KI hat Grenzen
Wer würde glauben, dass eine Arbeit mit Sprachmodellen im Feedbackprozess nur Vorteile bietet? Einige Nachteile oder Grenzen finde ich so wichtig, dass ich sie hier aufführe.
Kreativität versus Standards
Das Feedback einer KI ist umso leichter umzusetzen, je stärker ein Text standardisiert ist. Zum Beispiel ist eine Pressemitteilung leichter zu redigieren als ein Essay. Das gilt nicht nur für KI, sondern auch für Menschen. Je persönlicher ein Stil ist und je mehr wir uns selbst in unserem Text zum Ausdruck bringen, desto weniger lässt sich das Ergebnis mit Regeln und Standards erfassen. Das Redigieren von Alltagstexten gelingt mit klaren Regeln gut. Aber wir sollten nicht vergessen: Kreativität entsteht, wenn wir Standards brechen.
Vermeintliche Objektivität
Wir sagen, die KI sei objektiv. Aber wir wissen, dass ihre Ergebnisse oft schwankend sind, nicht immer nachvollziehbar und manchmal falsch. Wenn wir kreativ arbeiten, kann dies eine Stärke sein. Zum Problem wird es, wenn wir das Feedback der KI wie ein Laborergebnis nehmen, das wir nicht hinterfragen.
Technische Grenzen?
Keine Grenze stellt dagegen die Technik dar. Heutige Limitationen können wir getrost als Übergangsphänomene ansehen. Während ich hier schreibe und händisch Schritt für Schritt die KI in meinen Schreibprozess integriere, arbeiten findige Leute schon an den nächsten Schritten.
Interaktive Feedbacksysteme werden entwickelt, mit denen wir Schritt für Schritt in Echtzeit an unserem Text arbeiten können. Oder KI-Agenten, die den Schreibprozess komplett erledigen, von der Recherche über den Textaufbau bis zum Schreiben. Im nächsten Schritt können Agenten sich gegenseitig helfen und einander Feedback auf ihre Arbeit geben. Wer weiß, was danach kommt.
Fazit: Feedback von der KI möchte ich in meinem Schreibprozess nicht mehr missen
Die Grenzen der KI sollten wir uns beim Schreiben vor Augen halten. Dann können wir Sprachmodelle an den richtigen Stellen für die passenden Arbeiten einsetzen. Für mich ist die zentrale Regel: Texte mit KI zu schreiben ist gut, solange wir den Stift in der Hand behalten. Wenn wir KI als Helferin sehen, nicht als Ersatz für das eigene Schreiben.
Übrigens: Als ich neulich beleidigt reagierte, hat mich das zunächst erstaunt. Dann ahnte ich, was mein Problem war: Die KI hatte recht. Ich hatte ihr einen Text gegeben, von dem ich ahnte, dass er nicht gut geworden war. Irgendwie hatte ich wohl gehofft, sie würde ihn durchwinken.
Als ich das erkannte, machte ich mich an die Arbeit. Die Kritik ging ich Punkt für Punkt durch, übernahm manches und anderes nicht. Dann schrieb ich meinen Text fertig. Am Ende fand ich ihn gar nicht so schlecht.
Wahrscheinlich habe ich mich irgendwann bei dem Sprachmodell für sein Feedback bedankt. Und wenn nicht, hole ich das bei Gelegenheit nach. Wir werden ja noch oft gemeinsam texten.
Ich hoffe, diese Einblicke in meine Schreibpraxis helfen euch bei euren eigenen Arbeiten. Wie immer freue ich mich über euer Feedback. Und wenn ihr mehr von mir lesen möchtet, abonniert gern meinen Newsletter.
Übrigens: Möchtet ihr tiefer in die Praxis des Schreibens mit KI einsteigen? Dann lade ich euch ein zu einem kostenlosen Schreib-Coaching. Für 30 Minuten stehe ich euch in einer Einzelsitzung online zur Verfügung. Wir kümmern uns um eure Fragen zu ChatGPT, Gemini, KI-Tools und wie ihr damit arbeiten könnt. Die Session ist völlig unverbindlich. Interessiert? Dann schreibt mir eine kurze Mail an hilge@hilgekohler.com . Ich freue mich auf euch.
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